I. Fragen und Probleme unserer Zeit
Welches sind nun die großen Fragen dieser Zeit? Welches sind die Probleme, die uns täglich mehr
und mehr bedrücken, ohne dass wir eine Lösung finden können? Was sind denn die eigentlichen
Gründe, warum die Diözesen anfangen, Synoden zu halten?
Man muß sagen, es ist erschreckend, was man alles entdeckt, wenn man sich die Mühe macht, die
geistig-religiösen Probleme unserer Zeit vor Augen zu halten. Ich versuche, einige davon zu nennen,
ehe ich daran gehen kann, zu zeigen, was das mit Alois Schmid zu tun hat.
1. Die Hl. Schrift
Schon die Kinder in der Schule klagen, dass jeder Lehrer die Hl. Schrift anders erklärt. Die Schüler
sind so verwirrt, dass sie es bald aufgeben, sich für dieses Wort Gottes zu interessieren und wenden
sich anderen Dingen zu. Die Lehrer, die das natürlich spüren, sind ratlos und verlieren auch das
Interesse an religiösen Dingen. Sie können nicht verstehen, warum dieses Wort Jesu echt ist und
jenes nicht, warum dieses Wunder vielleicht glaubhaft ist und jenes nicht, warum diese Stelle nur
symbolisch zu verstehen ist und jene wörtlich verstanden werden darf. Weder die historische
Methode, noch die vielen dicken Bücher von Eugen Drewermann haben diese Fragen geklärt.
2. Der Gehorsam
Heute wird die große Freiheit verkündet. Jeder kann tun und lassen, was er will. Keiner Autorität wird
das Recht zugestanden, in diese Freiheit hineinzureden. Autoritäten verlieren an Zugkraft. Man
sucht sich Vorbilder nach dem eigenen Geschmack und verwirft sie wieder je nach Laune. Nicht das
Alter, nicht die Weisheit und das Recht haben Geltung, sondern die Jugend ist gefragt und die
Lautstärke und die Gewalt.
3. Kirche - Sakrament
Wer gibt in der Kirche den Ton an? Medien, Proteste, Anfragen, Basisgruppen und Aktionen sind
wichtig. Der Papst wird von vielen Katholiken abgelehnt, obwohl wir gerade heute einen
überragenden Mann auf dem Stuhl Petri haben. (Der Vortrag entstand im Jahr 1990, als der
inzwischen heiliggesprochene Johannes Paul II. als Papst im Amt war, Anm. d. Red.)
a)
Ehe:
Die Ehe hört langsam auf, weil die Jugend beginnt, ohne Trauung zusammenzuleben.
b)
Taufe:
Viele lassen ihre Kinder nicht mehr taufen, weil sie nicht mehr gelernt haben, was die Taufe bedeutet
oder weil sie es vergessen haben.
c)
Priestertum:
Um das Priestertum ist ein fürchterlicher Streit entstanden. Man will es mit Macht und Politik in
Verbindung bringen und man kämpft verbissen darum, dass auch die Frauen Priester werden
dürfen. Aber wer versteht denn noch, was das Priestertum Jesu Christi bedeutet?
d)
Eucharistie:
Wir alle wissen aus den Tageszeitungen, was alles mit der heiligen Eucharistie, der Messe und der
Hl. Kommunion geschieht. Man hat begonnen, das alles zum Steitpunkt zu machen. Und die
Bemühungen um die Ökumene gehen kaputt, wenn das so weiter geht.
e)
Buße
Vom Sakrament der Buße kann man heute sagen, dass es fast vergessen ist. Wir alle kennen ja das
Beispiel, was in der Schweiz geschehen ist.
f)
Firmung:
Wer in der Schule tätig ist, der weiß um die Probleme, die bei der Firmvorbereitung entstehen. Es
gab noch nie so viele Bemühungen um die Firmvorbereitung und doch gab es noch nie so viele
Missverständnisse um dieses Sakrament.
g)
Krankensalbung
Das Sakrament der Krankensalbung wird am wenigsten angegriffen. Aber wer denkt heute noch in
einem Krankenhaus daran, einen Priester zu holen, wenn jemand stirbt? Nachdem der alte Mensch
nichts mehr wert ist - er ist als Konsument von der Wirtschaft nicht mehr so umworben wie die
Jugend, er ist nicht mehr im Produktionsbetrieb tätig, er kostet und muß versorgt werden, aber die
Kräfte, die ihn versorgen, werden immer weniger und immer teurer.
4. Der Aktionismus
Überall und ganz besonders in der Kirche ist der große Aktionismus angebrochen. Ungeheure
Mengen von Papier werden bedruckt, verschickt und die dazu nötigen Maschinen stehen nun in
großer Zahl in jedem Büro, auch im Pfarrbüro. Man glaubt an Aktionen, Kreativität, Spontaneismus.
Man hetzt den ganzen Tag umher. Die Autos werden immer schneller. Auch Pfarrer müssen schon
zu Konferenzen fliegen. Man redet von Papieren und Beschlüssen, von Versammlungen, Fahrten,
Treffen, Arbeitsessen usf. Bücher, die die Lösung aller Probleme versprechen, stapeln sich auf
unseren Schreibtischen, aber so wie die Bücher, stapeln sich auch die Probleme und bleiben oder
werden noch größer als sie schon sind.
Man fängt an, die Leute zu zählen, die aus der Kirche austreten. Man erschrickt nicht darüber. Man
gewöhnt sich an die Zahl der Abtreibungen, aber man ärgert sich nicht mehr. Man hört von den
Selbstmorden und geht zur Tagesordnung über. Man plädiert für die Marktwirtschaft und nimmt
gelassen in Kauf, wenn einige Probleme moralischer Art damit verbunden sind (z.B. Sonntagsarbeit).
Wichtig ist, dass man sich gemütlich am Fernseher ausruhen kann und eine schöne, gemütliche
Wohnung da ist.
Wenn man von Haus zu Haus geht, dann findet man überall großes Leid und geistige Finsternis.
Wenn man die Zeitungen aufschlägt, dann geht es uns so gut wie noch nie und es stimmt
tatsächlich, es geht uns wirtschaftlich so gut wie noch nie. Was soll das bedeuten?
5. Die Frage nach dem Laien
Seit dem Konzil ist die Frage nach dem Laien und seiner Bedeutung in der Kirche immer lauter
gestellt worden. Man denkt jetzt über die Berufung des Laien nach und will wissen, was er in der
Kirche für eine Bedeutung hat. Gerade hier aber kann man eine entscheidende Antwort an der
Gestalt von Alois Schmid ablesen.
Wissenswertes:
Vortrag von Dr. Josef Ruf